(vom Loslassen)
Mit schwerem Herzen bin ich losmarschiert. Muttersein dünkt mich vor allem grad eines: Schmerzvoll.
Wie nichts anderes zeigt es mir mein Unvermögen, meine Schwachstellen, meine Defizite auf. Es «schleift» mich als wäre ich ein Rohdiamant. Ich muss mich mit meinen Schwächen, meinen Ängsten, meinen Enttäuschungen auseinandersetzen. Ich trage mein schweres Herz durch den Wald, zum Bach. Das Wasser rauscht über die Steine, unaufhaltsam, immer weiter.
Wie fällt mir das Loslassen doch schwer.
So anders als der Bach habe ich Mühe damit, dass sich mein Leben immer weiter und weiter entwickelt, dass ich keinen Moment festhalten kann und schon gar nicht meine Jungs.
Sie entwickeln sich zu jungen Männern, werden erwachsen. Es kommt mir vor, als müsste ich sie noch ein zweites Mal gebären.
Ich gehe weiter, durch den Wald und plötzlich sehe ich die Parallelen. Die Geburt hat weh getan, körperlich. Die Zeit danach war auch mit viel «Körperarbeit» verbunden. Schwanger konnte ich nicht bleiben, der nächste Schritt für das kleine Kind war sein «auf die Welt kommen», sein eigenständiges Atmen. Es begann, seine eigenen Schritte zu machen.
Ein paar Jahre habe ich diese Schritte, dieses Wachsen begleitet.
Nun tut es wieder weh. Anders. Aber wie damals bei der Geburt ist es wichtig, dass ich die Wehen annehme, die Schmerzen zulasse, mich nicht verkrampfe, tief durchatme, mir keine festen Vorstellungen mache über die Art und den Ablauf der Geburt und, dass ich mich öffne. Dass ich «lugglah». Dass ich zulasse, dass meine Kinder eigene Wege gehen, selber Verantwortung übernehmen, sich von mir lösen.
Meine Jungs sind keine kleinen Babys mehr. Ich entlasse sie aus meinem «Mutterschoss» und begleite sie anders. Damals, nach der Geburt, haben meine Organe wieder mehr Platz erhalten. Mit dem Ende der Schwangerschaft, war ich wieder nur ich.
Das ist nun ähnlich: Mein Ich hat wieder mehr Platz. Die Jungs können nicht anders, sie müssen zur Welt kommen und nun müssen sie eigenständig ihren Weg gehen.
Und: Wie damals nach der Geburt im Wochenbett, brauche ich auch Ruhe und Erholung, Zeit zum Verheilen und einen Spaziergang durch den Wald!
Dankbarkeit macht sich breit. Ohne mein Muttersein hätte ich manchen «Schleifprozess» verpasst.
Nicht, dass ich unbedingt ein geschliffener Diamant sein möchte, aber so ein bisschen glänzen, ja das möchte ich schon. ;-)
Alice Linder
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